Gewalt und respektloses Verhalten in der Pflege sind in weiten Teilen immer noch gesellschaftliche Tabuthemen, über die wenig gesprochen wird.

Sie können verschiedene Ursachen haben. Zwischen Pflegekraft und Bewohnerin und Bewohner besteht ein Machtgefälle, das Gewalt begünstigt, wenn unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen aufeinander treffen. Aber wo beginnt Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen überhaupt? Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Unterstützung und Pflege, um ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Machen sich Pflegende im oft stressigen und anstrengenden Arbeitsalltag ausreichend bewusst, dass Pflegebedürftige von ihnen weitestgehend abhängig sind? Begegnen Pflegende den ihnen anvertrauten Menschen mit Respekt und auf Augenhöhe? Fragen wie diese sind im Projekt „Gewaltprävention in Pflegeeinrichtungen“ handlungsleitend.

Herangehensweise im Projekt
Es ist häufig schwierig, Gewalt als solche aufzudecken, da die meisten Betroffenen sich schämen, sich ausgeliefert fühlen, oder Angst haben. Um hier die notwendige Sensibilität zu stärken und das Thema offen anzugehen, wird in zwei Pflegeheimen in Dresden ein Konzept zur Gewaltprävention entwickelt und umgesetzt. Das Pflegepersonal soll hierbei das eigene Handeln hinterfragen und mit dem bisherigen, stark körperbezogenen Verständnis von Pflege brechen. Dadurch soll eine konsequent personenzentrierte, respektvolle und gewaltfreie Pflege ermöglicht werden. Um dies zu gewährleisten, werden Einrichtungsstrukturen und -prozesse auf den Prüfstand gestellt. Es sollte so gepflegt werden, wie jeder selbst einmal gepflegt werden möchte und es sollte Achtung und Respekt auch vor schwer dementen Menschen bewahrt bleiben. 

Im Verlauf des Projektes hat sich gezeigt, dass die durchaus typische Differenz zwischen Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung in Bezug auf Pflegehandlungen mit Gewaltpotential auch bei den Pflegekräften in den Projekteinrichtungen festzustellen ist. Um die Ziele des Projektes „anfassbarer“ zu machen, wurde deshalb ein Selbsterfahrungstag für alle Beschäftigten initiiert: Jede und jeder Mitarbeiterin und Mitarbeiter hat sich einen Dienst lang in die Situation eines Pflegebedürftigen begeben, der im Rollstuhl sitzt, schlecht hört, schlecht sieht und nur eingeschränkt kommunizieren kann. In den Reflexionsgesprächen hinterfragten und bewerteten die Mitarbeiter:innen anschließend auf Grundlage dieser Erfahrung ihr eigenes Handeln.